Mittwoch, 21. Oktober 2015

Von Freunden und dem inneren Bootcamp

Lange schon habe ich keinen Post dieser Art mehr geschrieben, ein bisschen nachdenklicher und vielleicht auch kritisch.
Sei es, weil es einfach nicht gepasst hat, weil die Gedanken nicht von selbst angefangen haben zu fliegen oder schlicht, weil ich das Gefühl hatte, schon viele Themen ‚abgefrühstückt’ zu haben.
Aber weißt Du was?
Das ist mir nun egal.
Einfach, weil es manchmal eben auch persönlich sein darf.

Vor zwei Wochen hat Uli 5 Dinge gepostet, die sie an sich mag. Eine tolle Idee, wie ich finde, aber wohl auch eine, die ihr schwer fiel, Uli hat selbst geschrieben, dass es ihr leichter gefallen wäre, Dinge aufzulisten, die sie nicht mag an sich.

Das versteh ich.
Das kenn ich auch.

Hm.

Aber wieso eigentlich?!

Wieso fällt es uns leichter, das Negative an uns zu sehen? Wieso sind wir mit uns selbst so überkritisch?
Wieso, um es mal hart zusammenzufassen, wieso erlauben wir uns selbst schlechter von uns zu denken, als wir es anderen erlauben würden, über uns zu reden?

Das sind Fragen, die mich schon eine längere Zeit beschäftigen. Ulis Post hat sie nur wieder ein bisschen mehr an die Oberfläche geholt, denn in meinem momentan verrückt-vollen Alltag geht so etwas gern unter.
Und je mehr dieser Fragen untergingen, je eingespannter ich war, desto stärker wurde komischerweise diese nörgelnde kleine Stimme in meinem Kopf, die echt viel auszusetzen hat an mir.
Weniger wiegen könnte ich ja und definitiv mehr Sport machen, da schlummert ein großes Projekt rund um den Blog schon länger als ich es wollte, wieso nur schaffe ich es nicht, mich endlich darum zu kümmern?! Und mehr Zeit haben für x, y, z könnte ich ja wirklich auch! Wie, einfach einen ganzen Abend lang nicht arbeiten, wie bequem kann man eigentlich sein?!

Und so weiter und so weiter und so weiter...

Ich habe mich ein bisschen gefühlt wie in einem ewigen Bootcamp – mit mir selbst als bösem, fiesem Drill-Instructor.

Doch, das kann ich gut!
Antreiben, stupsen, nie zufrieden sein.
Noch ein bisschen weiter treiben, da muss doch noch was drin sein, wie, das war es schon?!

Das ging so weit, dass ich gar nicht mehr richtig abschalten konnte, denn wenn ich dann mal nichts mehr gemacht habe - so abends, gegen 22 Uhr - wurde ich kribbelig. Sollte ich nicht doch noch mal schnell nach meinen Arbeitsemails schauen? Oder etwas recherchieren? Ein bisschen vorarbeiten für den nächsten Tag, damit ich wenigstens ein bisschen was von meiner irrwitzigen to-do-Liste abgearbeitet bekäme, weil meine Tage grundsätzlich anders verlaufen als geplant und so eben auch mal etwas liegen bleibt? 
Wie, einfach nur ausruhen?!

Ja, ich weiß: Ganz. Schön. Verrückt!!

Und ganz definitv etwas, das geändert gehörte!
Also habe ich angefangen, mich zu fragen, was ich meiner besten Freundin raten würde.
Würde ich sie antreiben, würde ich ihr sagen, dass es noch und noch und immer noch nicht genug ist?
Wohl kaum.

Würde ich ihr sagen, dass sie ruhig ein paar Kilos abnehmen könnte und Entspannung am Abend – oder irgendwann mal - überbewertet ist?
Kaum!

Würde ich ihr ernsthaft raten, noch mehr zu arbeiten, noch mehr Überstunden zu machen, immer weiter und weiter?
Du ahnst es – wohl kaum!

Wieso also gehe ich dann mit mir selbst so um?

Das war der Moment, in dem ich beschlossen habe, meinen kleinen, irren Drill-Instructor in einen langen Urlaub zu schicken.
Grundsätzlich ist es nämlich gar nicht schlecht oder verkehrt, Antrieb zu haben, Dinge anzugehen, nicht gleich aufzugeben, wenn es anstrengend wird oder unbequem. Disziplin ist toll!
Nur eben zu viel davon ist auch nicht gut.

Und so sonnt sich die Bootcampleitung neuerdings in süßem Nichtstun und ich habe meine Ruhe.

Nicht nur das, ich bin meine beste Freundin.
Der Tag war lang und fleißig? Gut, viel geschafft.
Das heißt aber, dass der Abend nicht auch noch fleißig sein muss und ich tun kann, wozu ich Lust habe – nicht, wozu ich mich selbst verpflichte.

Einfach mal 1 Stunde in der Badewanne einweichen, dabei entspannt Musik hören, oder, der Gipfel meiner persönlichen kleinen Dekadenz, eine Doku bei Youtube gucken?
Mach ich jetzt.

Nicht bloggen, weil ich muss, sondern einfach, weil ich will? Und wenn ich nicht will, es auch sein lassen? Weil ich hier der Chef bin und niemand sonst?
Mach ich. Noch viel mehr, als sowieso immer schon, denn hier auf meinem Blog bin ich von Anfang an der Diktator gewesen. Aber jetzt habe ich abends wieder Kraft und Lust zum Bloggen und das fühlt sich wunderbar an. 

Arbeit noch mehr als sonst priorisieren und Dinge auch mal 2 Tage liegen lassen? Weil die Welt eben nicht untergeht, wenn andere auch mal auf mich warten müssen?
Das klappt, immer besser.

Und je besser das klappt, desto besser kann ich selbst das auch ertragen und der Drillmeisterin im Kopf die Zunge rausstrecken.
Blöde Kuh aber auch!

So übe ich jetzt Balance und mir selbst eine gute Freundin zu sein. Nicht nur eine, mit der ich mich auf einen entspannten Kaffee treffen mag, sondern eine, für die ich nur das Beste will.

Die Welt geht davon nicht unter – aber wer, weiß, vielleicht ja der Drill-Instructor. Den Rentenantrag hab ich schon gestellt ;-).
Was mich jetzt brennend interessieren würde: Wie ist das bei Dir? Bist Du Dir eine gute Freundin und kannst Fünfe nicht nur bei Anderen, sondern auch bei Dir selbst gerade sein lassen? Oder kannst Du vielleicht meine kleine Verrücktheiten so gar nicht nachvollziehen?

Liebst,
Sabine