Dienstag, 7. November 2017

Von glutenfreien Weckmännern und einem Wasserschloss

Zu den Erinnerungen an St. Martin gehören für mich ganz unbedingt Weckmänner. Woanders heißen sie auch Stutenkerle, immer aber sind die kleinen Männchen aus leicht süßem Hefeteig geformt. Für mich müssen sie eigentlich auch noch eine Pfeife dabei haben, ich sag es gleich, mein Weckmann hat keine bekommen. Dazu aber gleich mehr.
Weckmänner gehören für mich also zu St. Martin, genau, wie ein Laternenumzug. Der von unserer Grundschule führte uns jedes Jahr zum nahe gelegenen Wasserschloss, wo auf der Freitreppe bei Fackelschein die Mantelteilung stattfand. Dass sowohl meine Schwester als auch ich Jahre später auf eben dieser Freitreppe Hochzeitsfotos schießen lassen würden, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Es ging also mit den Laternen zum Schloss und nach der Mantelteilung immer dem Martinspferd hinterher zurück zum Schulhof, wo die Eltern mit Schmalzbroten, Weckmännern, heißem Tee für die Kinder und Glühwein für die Erwachsenen warteten.
So fühlt sich das Sankt Martin meiner Kindheit an, nach der Stärkung sind wir Martinslieder singend durch diverse Wohnstraßen gelaufen und haben bergeweise Süßigkeiten eingesammelt – die haben locker bis Weihnachten gereicht.

Seit meine Zöliakie diagnostiziert wurde, habe ich keinen Weckmann mehr gegessen  und das musste sich in diesem Jahr endlich ändern! Dazu musste ich es ‚nur’ hinbekommen, einen formbaren Hefeteig zu zaubern...hach ja...
Nun, das Problem ist gelöst, geholfen hat mir Freund Zufall. Na gut, eigentlich Freund Schusseligkeit, wenn die auch oft keine so gute Freundin ist.

Meine Hefeteige waren immer und immer wieder zu klebrig, um in eine Form gebracht zu werden, zu feucht und einfach eine Katastrophe. Wenn auch eine mit leckeren Folgen, denn geschmeckt hat das Ergebnis immer. Nur anders, als in eine Form geworfen backen konnte ich die Teige nie.
In den letzten Wochen habe ich damit experimentiert, mehr Bindung in den Teig zu bekommen, mal habe ich gemahlene Flohsamenschalen verwendet, dann wieder Guarkernmehl, Johannisbrotkernmehl oder auch Xanthan. Das Ergebnis war immer wieder nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, ein formbarer Teig nämlich, der keine innige Verbindung mit meinen Händen eingeht, sprich: klebt wie die Hölle.
Dann habe ich aus Versehen Flohsamenschalen und Xanthan in den Teig gemischt, reine Schusseligkeit, wie schon erwähnt. Ich habe mir keine große Hoffnung auf ein form- oder essbares Ergebnis gemacht und dann...tja, dann hatte ich den perfekten Teig! So leicht kann es manchmal gehen.

Und so kann ich Dir heute meinen Weckmann zeigen, etwas eigenwillig ist die Form geraten, aber ich habe ja auch eine jahrelange Pause im Teigformen machen müssen. Im nächsten Jahr wird er hübscher und bekommt seine Pfeife, die ich in kleinen Mengen und kurzer Zeit nicht auftreiben konnte. Dafür hat Hans-Günther, wie ich das Männchen getauft habe, eine dicke rote Fliege um den Hals bekommen, ein bisschen Schmuck musste sein.
So, genug der langen Vorrede, ab in die Küche!

Weckmann (glutenfrei)

Du brauchst für 2 Weckmänner

20g frische Hefe (glutenfrei)
30g Reissirup
150ml Milch, lauwarm
125ml Wasser, lauwarm (alternativ nur 275ml lauwarme Milch)

440g Brotmehl, glutenfrei (ich hatte Mix B von Schär)
40g Maisstärke
Prise Salz
2g gemahlene Flohsamenschalen
3g Xanthan
50g Butter, zerlassen
Schale von ¼ (Bio)Zitrone
100g Joghurt
1 Ei, Gr. L

glutenfreies Mehl zum Ausrollen (ich hatte Reismehl)
Milch zum Bepinseln
evtl. Rosinen zur Deko
evtl. Gipspfeife zur Deko

Wasser und Milch werden gemischt und erwärmt, Hefe und Reissirup darin aufgelöst. An einem warmen Ort etwa 15 Minuten stehen lassen, bis die Flüssigkeit anfängt, Blasen zu werfen.

Parallel werden Mehl, Stärke, Flohsamenschalen, Xanthan und Salz sorgfältig miteinander vermischt.
Ist die Hefeflüssigkeit fröhlich blubbernd soweit, kommen die Mehlmischung, die flüssige Butter, Joghurt, Ei und der Zitronenabrieb dazu.

Mit dem Mixer (Knethaken) für 6-7 Minuten durchmischen. Der Teig wird durch die Bindemittel fester, bleibt aber noch leicht klebrig, das passt so.
Mit Klarsichtfolie abdecken oder aber die Rührschüssel in eine große Tüte einschlagen und an einem warmen Ort* für etwa 45 Minuten gehen lassen, bis sich das Teigvolumen nahezu verdoppelt hat.

(* Ich habe das Glück, einen Backofen mit einer Gärstufe zu besitzen, kann also meine Gärumgebung gut kontrollieren. Du kannst auch Deinen Backofen zum Gären nutzen, dazu einfach nur die Glühbirne anstellen und das am besten gleich zu Beginn der Teigvorbereitungen. Dann sollte der Backofeninnenraum zum gewünschten Zeitpunkt um die 30 Grad haben.)

Jetzt kommt der spaßige Teil, wir bringen den noch immer dezent klebrigen Teig dazu, ganz kooperativ zu werden.
Dazu eine sehr biegsame Silikonmatte oder aber ein großes Stück Frischhaltefolie recht großzügig mit dem glutenfreien Mehl bestäuben. Ich habe das mit Reismehl gemacht, Du kannst aber auch einfach die schon verwendete Mehlmischung benutzen.
Der Teig wird auf das Mehl gesetzt und dann mit Hilfe der biegsamen Unterlage (also Silikonmatte oder Frischhaltefolie) behutsam geknetet. Das Mehl wird eingearbeitet und nach maximal 2 Minuten hast Du einen formbaren Teig, der nicht mehr klebt.

Der Teig wird halbiert und in 2 Rollen von etwa 20cm geformt. Diese legst Du weit voneinander entfernt auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech. Alles, was Du jetzt noch brauchst, ist ein Messer.
Mit dem wird je ein etwa 2-3cm großes Stück an einem Ende der Teigstangen abgetrennt, das zu einer Kugel geformt und als Kopf wieder angesetzt wird.
Am anderen Ende der Stangen werden diese auf einer Länge von etwa 7cm mittig halbiert. Die so entstehenden Enden etwas nach außen biegen, das sind die Beine des Weckmannes.
Für die Arme wird auf halber Strecke zwischen Beinen und Kopf der Teigstrang seitlich eingeschnitten. Ich habe einen Arm abstehen lassen und einen auf den Bauch des Männchens geklappt, das kannst Du machen, wie Du magst.

Nun wird der Teig noch dünn mit Milch eingepinselt und Dein Weckmann dann nach Belieben verziert. Wie Du auf den Bildern sehen kannst, habe ich mich für eine recht minimalistische Variante entschieden, mein Männchen hat nur drei Rosinenknöpfe bekommen.
Lass Deiner Phantasie einfach freien Lauf!

Im auf 225°C Ober-/Unterhitze vorgeheizten Backofen brauchen Deine Weckmänner jetzt 15 Minuten, bis sie goldig sind und gut duften.

Aus dem Ofen nehmen, abkühlen lassen und genießen!
Die angegebene Teigmenge reicht für 2 Weckmänner, ich habe tatsächlich nur einen gebacken und aus der anderen Teighälfte ganz was anderes gemacht – Rezept folgt bald.

Der Weckmann schmeckt richtig gut, nicht sehr süß, aber so mag ich es. Wenn Du es lieber süßer magst, kannst Du locker noch bis zu 30g Zucker im Teig verarbeiten.
Auch der Zitronenabrieb ist nicht ganz klassisch im Weckmann, schmeckt mir aber richtig gut. Wenn Du es sehr traditionell liebst, oder aber Zitrone einfach nicht magst – weglassen, das kennst Du schon von meinen Rezepten.
Der Teig ist schön fluffig und feinporig, genau, wie er sein sollte, und ich finde ihn super! Übrigens auch perfekt geeignet für süße Sonntagsbrötchen, ich wollte es nur erwähnen. In dem Fall würde ich den Teig schon am Samstag zubereiten und über Nacht im Kühlschrank gehen lassen. Sonntags dann nur noch formen und backen.

Jetzt fehlen mir zum Martinsglück nur noch eine Laterne, ein Wasserschloss, ein Schimmel und ein Reiter – die werden sich ja wohl auftreiben lassen ;-).

R.I.P., Hans-Günther, lecker warste!

Liebst,
Sabine