Es gibt Blogposts,
von denen weiß ich, so sicher, wie ich meinen Namen kenne, dass sie geschrieben
werden wollen. Geschrieben werden
müssen, besser gesagt. Posts, die wichtig und richtig sind und die meinen Blog
zu dem machen, was er eben ist.
Die sich aber auch
schwer und mühsam schreiben und um die ich deswegen gerne einen Bogen mache.
Dieser Blogpost
gehört zur beschriebenen Sorte, mach es Dir bequem, hol Dir gerne einen Tee
oder Kaffee, es könnte länger dauern.
Oh und...es wird
persönlich.
Dass es hier auf dem
Blog deutlich stiller geworden ist, weißt Du. Was Du aber wohl nicht kennst, das ist
der Grund für diese mir selbst unheimliche Stille – ich hatte im letzten Sommer
einen Schlaganfall.
Zum Glück keinen
riesig großen, aber die Folgen reichen mir auch so zur Genüge.
Puh, jetzt ist es
raus und in der Welt und ich sollte und möchte dazu Einiges sagen.
Vorweg –
Wieso veröffentliche
ich das hier?
Zuerst hatte ich gar
nicht vor, darüber zu schreiben, weil es sehr privat ist, weil es mich
angreifbar macht und weil das eigentlich nichts ist, was ich mit der Welt teilen möchte.
In den letzten Monaten habe ich aber immer stärker gespürt, dass es etwas ist,
worüber ich einfach schreiben muss und das aus mehreren Gründen.
Ich will ehrlich sein.
Mein Blog, meine Party und das hier war von
Anfang an eine eher persönliche Party.
Zu Beginn habe ich einfach so gebloggt, wie
es sich gut angefühlt hat und auch meine Themen danach ausgesucht. Irgendwann
wissen ein paar und dann ein paar mehr Menschen von Deinem Blog und Du bemühst
Dich um einen höheren Grad der Professionalisierung. Dazu gehört auch, allzu
Persönliches wegzulassen.
Das habe ich nie so ganz verfolgt, aber diese kleinen
Stimmen im Hinterkopf sind trotzdem da. Was, wenn Kunden das hier lesen? Wird
das für den Arbeitgeber okay sein? Was werden die Menschen, die mir nah und
wichtig sind und auf deren Meinung ich Wert lege, denken?
Und weißt Du was?
Es ist mir egal.
Vollkommen egal.
Der Post will in die Welt und
ich will ehrlich zu Dir sein. Ja, klar, ich wäre irgendwie auch noch ehrlich,
wenn ich einfach nicht darüber schreiben würde, aber es fühlt sich nicht
richtig an. Wem das nicht passt, der kann die Party verlassen, woanders wird auch gute Musik gespielt.
Ich will mich nicht
verstecken.
Keine Krankheit ist
etwas, wofür der Erkrankte etwas kann und verschweigen hat für mich viel mit Scham
zu tun. Wofür sollte ich mich aber schämen? Hätte ich besser auf mich aufpassen
müssen und wäre weniger Stress gut gewesen?
Aber sicher!
Und
trotzdem, in dem Umzugschaos von Düsseldorf nach München, dann gleich noch
einmal in München, in der Aufregung und Freude über den neuen Job und allem,
was diese Umbruchphase eben so mit sich gebracht hat, war es so, dass ich
diesen Stress eben aushalten musste. Stressige Phasen hat jeder einmal und ob das letztlich tatsächlich die Ursache war...wer weiß.
So
gilt wieder der Eingangssatz, niemand kann etwas für eine solche Erkrankung - und niemand sollte sich damit oder deswegen verstecken.
Ich will aufmerksam
machen.
Es gibt deutlich mehr
Schlaganfallpatienten in jungen Jahren, als Du Dir vorstellst. Also, wirklich
deutlich mehr. Übrigens sind häufiger Frauen als Männer betroffen, weil gerade
die Pille das Risiko für einen Schlaganfall erheblich steigert (nein, das war
bei mir nicht der Grund). Und es trifft nicht immer nur die anderen, es kann
Dich ebenso treffen wie mich.
Wenn Du Dich komisch
fühlst, wenn Du Lähmungserscheinungen hast, Worte nicht findest, wenn Du auf einer
Seite nichts siehst usw. – geh zum Arzt! Sofort! Egal, was Du gerade tust.
Warte nicht ab (so wie ich)!
Das reicht an Predigt.
Ich will Mut machen.
Ja, das mag
pathetisch klingen, aber ein bisschen Mut können wir alle gebrauchen,
schließlich hat jeder sein ganz individuelles Päckchen zu tragen und ich würde
mir wünschen, wir würden offener darüber reden. Das hilft nämlich enorm und
zeigt, dass man nicht alleine und kein Leben glattgebügelt perfekt ist. Ja, es
ist schwer, sich verletztlich zu zeigen, vermeintlich schwach und nicht
bloggerglänzend, aber ich finde, die Wahrheit ist das wert.
Mir zumindest hilft
es sehr, wenn ich sehe, wie großartig und offen, wie mutig und lebensbejahend
andere mit ihren eigenen Herausforderungen umgehen. Fee zum Beispiel, die ihre
MS immer mal wieder thematisiert und ein echter Mutmacher ist.
Das Leben nach einem
Schlaganfall ist nicht vorbei, nur anders. Und das kann auch schön sein, wenn
Du es zulässt.
Machen wir weiter mit...
Wie geht es mir?
Ganz ehrlich, das ist
sehr verschieden und variiert von Tag zu Tag.
Grundsätzlich gibt es
mittlerweile mehr gute als schlechte Tage und das ist so viel wert!
Ich habe einige
Einschränkungen, die Du sehen kannst und laufe mit einer Krücke, anstrengender
in vielerlei Hinsicht sind aber die Einschränkungen, die Du nicht sehen kannst.
Den langsamen Arm,
der nicht so viel spürt wie der andere und mir im Alltag immer wieder in die
Quere kommt (u.a. auch beim Tippen, weshalb Blogpostsschreiben gerade
anstrengend ist).
Die Fatigue, die sehr
heftig war und langsam, langsam etwas besser wird. Und dann gibt es wieder
diese Tage, an denen einfach gar nichts geht und die sich, wenn es schlecht
läuft, wieder zu Wochen ausdehnen.
Die Konzentration,
die immer noch nicht wieder so ist, dass ich mich wie ich selbst fühle. Auch
hier gibt es gute Tage und solche, an denen ich kaum eine Seite lesen und auch
verstehen kann. Das wird besser, aber es dauert und gerade das ist es auch, was
das Bloggen gerade so schwer macht. Ich habe diverse Rezepte entwickelt,
geshootet, alles ist fertig und wartet auf meine eigentliche Lieblingsaufgabe,
das Schreiben - und ausgerechnet das will gerade nicht so gut funktionieren.
Die...tja, wie nenne
ich das? Überlastung? Ich kann Geräusche nur äußerst schlecht trennen, läuft
das Radio und redet der Lieblingsmensch dazu, wird das Ganze ein Geräusch. Ein
lautes Geräusch, Lärm, den ich nicht verstehe.
Stell Dir das jetzt
einfach mal an einem belebten Platz oder in einem Raum mit vielen Menschen vor.
Ja, das ist wie Folter und geht so weit, dass mir jedes Geräusch körperlich weh
tut. Dann hilft nur noch eines, schnell in die Stille zurück, wenig Reize,
wenig Menschen.
Wir versuchen,
auszugehen und zumindest ein bisschen Normalität zu leben, aber wir suchen z.B.
unsere Ziele nach dem Lärmpegel aus. Es gibt bessere Tage, an denen ich mehr
schaffe, an schlechten Tagen ist mir ein leeres Restaurant noch immer zu laut. Treffen
mit Freunden finden am besten in kleinen Gruppen statt und letzten Montag haben
wir ein Klavierkonzert von Daniel Barenboim besucht. EIN Instrument, sonst
Stille (ok und viele Huster, es war wie bei Loriot!). Für mich ein Abend, den
ich richtig genießen konnte – ganz davon abgesehen, dass Hr. Barenboim
unfassbar großartig ist! Unbedingte Empfehlung, wenn Du klassische Musik magst.
Ich nehme sowieso
immer schon sehr viel um mich herum wahr, als meine Umwelt (HSP), momentan ist
aber der ‚Regler’ für ein erträgliches Maß völlig kaputt und ich hoffe sehr,
dass sich das deutlich bessert! Einsiedlerin ist nämlich so gar kein Lebensziel
von mir ;-)!
Und was heißt das
jetzt?
Momentan ist mein
Leben in einer Art Warteschleife, in der ich hart dafür arbeite, mir Verlorenes
zurück zu erobern und dabei die nötige Geduld mit mir selbst aufzubringen. Das
fällt mir eigentlich am Schwersten, geduldig mit mir zu sein und diese
neue-alte Sabine zu akzeptieren, so, wie ich nun einmal gerade bin.
Ich freue mich an den
guten Tagen und merke zumindest, dass ich sie nicht mehr so teuer bezahlen
muss, wie noch vor einigen Monaten (denn jeder gute Tag ‚kostet’ einige
schlechte). Es geht aufwärts, wenn auch sehr zäh und oft nur für mich
selbst spürbar.
Daneben versuche ich,
meinen armen Kopf mit Neuem zu füttern, auch eine Art Training. Gerade übe ich fleißig Handlettering und vor
allem Kalligraphie und es ist so schön, Schönes zu erschaffen!
Überhaupt freue ich
mich so sehr an vielen kleinen Dingen, weil ich in meinem Schneckentempo die Ruhe und Zeit habe, sie wahrzunehmen. Während ich das hier tippe, sitze ich
bei 16 Grad auf dem Balkon, spüre meine warme Wärmflasche im Rücken und in dem
alten Apfelbaum unserer Nachbarn turnt eine kleine Blaumeise fröhlich in der
Luft. Jede Krankheit wirft Dich unweigerlich auf Dich selbst zurück. Die Frage
ist dann, ob Du mit Dir im Reinen bist und es mit Dir selbst aushältst. Ich für
meinen Teil schaffe das ganz gut und bin froh, dass ich meinen Humor dabei nie
verliere.
Für den Blog heißt
das, dass es wohl noch eine Weile etwas uneinheitlich zugehen wird. In guten
Zeiten schreibe und teile ich und das immer noch sehr gern, an schlechten Tagen
ist es stiller. Das heißt nicht, dass es mir immer total schlecht geht, wenn es
ruhig ist, sondern einfach, dass das Tage sind, an denen ich meine Gedanken nur
schwer in Worte fassen und diese oft nicht finden kann. Ich hoffe, dass sich
das wieder einpendeln wird, aber ich mache mir keinen Druck.
Überhaupt ist Druck
gerade nicht hilfreich und ich habe großes Glück, dass nur ich ihn mir mache
und mein Umfeld nicht. Der Lieblingsmensch geht herrlich gelassen mit dem
ganzen Thema um und macht wenig Aufhebens darum, was schön ist, denn so bestimmt
das Kranksein nicht unser ganzes Leben. Meine Familie, Freunde – alle nehmen’s,
wie’s grad kommt und wissen, dass es mir auch mal so schlecht geht, dass ich
Verabredungen nicht einhalten kann. Verstehen oder nachempfinden muss das gar
nicht jeder können, es reicht mir schon völlig und hilft, wenn es alle
akzeptieren.
Vielleicht klingt das
Alles bis hierher wenig optimistisch (Glückwunsch, wenn Du es so weit geschafft hast) – das bin ich aber ganz und gar nicht.
Vielmehr ist mir sehr
wohl bewusst, was für ein unfassbares Glück ich hatte, ein Schlaganfall kann
auch ganz anders ausgehen. Und so habe ich mir, nach ein bisschen
wohlverdientem Weltschmerz, wieder meine rheinisch-rosarote Brille auf die Nase
gesetzt und beschlossen, die guten Seiten zu sehen. Ich lebe. Ich habe wohl
keine bleibenden Behinderungen davongetragen. Ja, ich habe einige Schrammen und
erschreckenderweise graue Haare zurückbehalten, aber die sind verschmerzbar –
und wofür hat ein kluger Mensch die Haarfärbemittel erfunden ;-)?!
Egal, was für
Päckchen uns das Leben vor die Füße wirft, ich bin zutiefst überzeugt davon, dass jeder Mensch seins
tragen kann. Wie Du das tust, mürrisch und selbstmitleidig oder mit einer
Krücke tanzend, das bleibt Dir überlassen. Denn was immer uns passiert, was das
Leben an Überraschungen bereithält, wir bestimmen einzig und allein selbst, was
wir daraus machen und wie wir die Welt sehen. Das ist Deine Freiheit, die Dir
kein kranker Körper nehmen kann - und mir auch nicht.
Liebst,
Sabine